Schreiben I – Warum überhaupt?
Als ich vor Jahren einmal durch die Websites renommierter Schriftsteller blätterte, blieb ich an einem kleinen Satz hängen, den Paul Auster auf seiner Seite stehen hatte. Auster ist Autor vieler Bestseller, die alle durch ihre komplexen, oft irrwitzigen und doch so glaubhaften Plots überzeugen. Er formuliert äußerst präzise und ich stelle mir unwillkürlich vor, dass er ganze Wände mit Notizen tapeziert und diese mit Pfeilen und Kreisen in einen Zusammenhang bringt, um seine Geschichten zu erzählen. Eine völlig andere Arbeitsweise als ich sie habe. Paul Auster ist mit Siri Hustvedt verheiratet, Schriftstellerin und mindestens genauso berühmt und erfolgreich wie ihr Mann. Das Paar lebt – vermutlich unter anderem – in New York, der Stadt, die Paul Auster ans Herz gewachsen ist.
Auster lebt dort zurückgezogen, heißt es. Ein Adjektiv, das man in Verbindung mit dem Substantiv Öffentlichkeit häufiger bei Autoren liest. Den absoluten Highscore in puncto Zurückgezogenheit hielt zu Lebzeiten sicher J. D. Salinger. Ein anderer meiner Helden, dem ich schon in der Schule begegnet bin, war doch sein inzwischen schon legendärer Fänger im Roggen Teil der gymnasialen Schullektüre. Salingers Oeuvre ist sehr übersichtlich. Und wenn ich behaupte, alles von ihm gelesen zu haben, ist das jetzt kein großer zeitlicher Invest. Einzig Hapworth 16, 1924 habe ich noch nicht in die Finger bekommen. Schon seit Jahren geht das Gerücht, dass diese 1965 in der Zeitschrift The New Yorker erschienene Geschichte neu aufgelegt wird. Bislang ist das offenbar noch nicht geschehen. J.D. lebte am Ende seiner Tage in einem vollständig von der Außenwelt abgeriegelten Anwesen. Man erfuhr von ihm lediglich, dass er weiterhin Texte verfasste, sie jedoch nicht mehr veröffentlichen wollte. Er schrieb nur noch für sich selbst. Von Salinger gelernt und übernommen habe ich die Art und Weise, wie man mit seinen Figuren umgeht. Salinger begleitet seine Glass-Family durch die Jahre und Episoden seiner Geschichten, wie ich es mit meinen Van-Pelt Freunden tue. Wenn man so etwas macht, wachsen sie einem ans Herz, ob man will oder nicht und man hofft, dass ihnen nichts Schlimmes widerfährt – was freilich nicht immer zu verhindern ist. Karma is a bitch.
Gleichzeitig ist das einer der größten Reize an der seltsamen Tätigkeit, Worte aneinander zu reihen und wildfremden Leuten erfundene Geschichten zu erzählen, in der Hoffnung, dass sie ihnen gefallen. Denn – bei allem Respekt, J.D. – ich möchte schon, dass meine Sachen gelesen werden. Da halte ich es eher mit John Irving, einem weiteren großen Schriftsteller, der sich unglaubliche Mühe mit seinen Romanen gibt. Herstellungszeiten von sieben oder mehr Jahren für einen Roman sind nichts Besonderes für ihn – klar, er kann es sich leisten. Von ihm weiß ich (Zitat) life is a string of clumsy catastrophes and idiot accidents (Zitatende). Wer will ihm da widersprechen. Und genau diese Dinge, clumsy and idiot, bringen Geschichten voran und sorgen für Wendungen. Seien es wildgewordene Bungee-Seile oder provozierte Schlägereien, um bei den auf dieser Website vorgestellten Geschichten zu bleiben. Und das ist das wahre Leben, nicht mehr und nicht weniger.
Diese Beispiele mögen fürs Erste genügen. All die anderen Riesen, auf deren Schultern ich mehr schlecht als recht stehe, mögen mir verzeihen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! ;-)
Warum also schreiben? Warum Geschichten erzählen und hoffen, damit anderen Freude zu machen? Ganz einfach, weil sie da sind! Die anderen und die Geschichten. Sie wohnen in mir, sie wachsen wie Kristalle, sie reifen wie guter Wein… sie sind manchmal alles was ich habe. Deshalb schreibe ich. Oder um es mit Paul Auster zu sagen, mit diesem einen knappen Satz auf seiner Website: Writing no longer is a habit to me or a passion – it is a necessity.
Passt auf Euch auf!
Herzlichst...
Virgil